Runen Übersicht

Die Runen sind Schriftzeichen, die traditionell von den Germanen und anderen indoeuropäischen Völkern verwendet wurden. Hier ist eine detaillierte Übersicht über die verschiedenen Runen, ihre Arten, Verbreitung, Besonderheiten und Entstehung:

1. Ursprung und Verwendung:

Die Ursprünge der Runen reichen bis in die vorchristliche Zeit zurück. Diese Schriftzeichen wurden von den Germanen, insbesondere den Wikingern, für verschiedene Zwecke verwendet, darunter magische Rituale, kalendarische Berechnungen, aber auch für alltägliche Schreibzwecke.

2. Futhark:

Das Runenalphabet wird als Futhark bezeichnet und ist in verschiedene Gruppen unterteilt. Die bekanntesten sind das ältere Futhark, das jüngere Futhark und das angelsächsische Futhorc. Jedes Futhark besteht aus einer bestimmten Anzahl von Runen.

a. Älteres Futhark:

  • Verbreitung: Ursprünglich von den Germanen im 2. bis 8. Jahrhundert verwendet.
  • Besonderheiten: 24 Runen, darunter Namen wie Ansuz (A), Raido (R) und Tiwaz (T).
  • Entstehung: Historischen Quellen zufolge entwickelte sich das ältere Futhark aus vorherigen Runensystemen.
  1. ᚠ – Fehu: Vieh, Reichtum
  2. ᚢ – Uruz: Auerochse, Stärke
  3. ᚦ – Thurisaz: Riese, Dorn
  4. ᚨ – Ansuz: Gott, Ase
  5. ᚱ – Raido: Reise, Rad
  6. ᚲ – Kaunan: Fackel, Geschwür
  7. ᚷ – Gebo: Gabe, Geschenk
  8. ᚹ – Wunjo: Freude, Glück
  9. ᚺ/ᚻ – Hagalaz: Hagel, Zerstörung
  10. ᚾ – Naudiz: Not, Bedrängnis
  11. ᛁ – Isa: Eis, Stillstand
  12. ᛃ – Jera: Jahr, Ernte
  13. ᛇ – Eihwaz: Eibe, Tod
  14. ᛈ – Perthro: Los, Schicksal
  15. ᛉ – Algiz: Schutz, Elch
  16. ᛋ – Sowilo: Sonne, Sieg
  17. ᛏ – Tiwaz: Tyr, Gerechtigkeit
  18. ᛒ – Berkanan: Birke, Neubeginn
  19. ᛖ – Ehwaz: Pferd, Bewegung
  20. ᛗ – Mannaz: Mensch, Gemeinschaft
  21. ᛚ – Laguz: Wasser, Fluss
  22. ᛜ/ᛝ – Ingwaz: Fruchtbarkeit, Stammvater
  23. ᛞ – Dagaz: Tag, Durchbruch
  24. ᛟ – Othala: Erbe, Heimat

Dieses Runenalphabet wurde hauptsächlich von den germanischen Stämmen von etwa 150 bis 800 n. Chr. verwendet. Jede Rune hatte nicht nur einen phonetischen Wert, sondern auch eine tiefere, symbolische Bedeutung, die in der germanischen Kultur stark verwurzelt war

b. Jüngeres Futhark:

  • Verbreitung: Hauptverwendung in Skandinavien im 9. bis 11. Jahrhundert.
  • Besonderheiten: Reduziert auf 16 Runen, mit speziellen Zeichen für Laute wie „th“ und „ng“.
  • Entstehung: Eine Entwicklung des älteren Futhark, entstanden in einer Zeit großer kultureller Veränderungen.
  1. ᚠ – Fe: Vieh, Reichtum (entspricht Fehu)
  2. ᚢ – Ur: Auerochse, Wasser (entspricht Uruz)
  3. ᚦ – Thurs: Riese, Dorn (entspricht Thurisaz)
  4. ᚬ – As: Gott, Ase (entspricht Ansuz, aber auch Os für Mund)
  5. ᚱ – Reið: Reise, Rad (entspricht Raido)
  6. ᚴ – Kaun: Fackel, Geschwür (entspricht Kaunan)
  7. ᚼ – Hagall: Hagel, Zerstörung (entspricht Hagalaz)
  8. ᚾ – Nauðr: Not, Bedrängnis (entspricht Naudiz)
  9. ᛁ – Íss: Eis, Stillstand (entspricht Isa)
  10. ᛅ – Ár: Jahr, Ernte (entspricht Jera, auch als Ar für gute Ernte)
  11. ᛋ – Sól: Sonne, Sieg (entspricht Sowilo)
  12. ᛏ – Týr: Gott Týr, Gerechtigkeit (entspricht Tiwaz)
  13. ᛒ – Bjarkan: Birke, Neubeginn (entspricht Berkanan)
  14. ᛘ – Maðr: Mensch (entspricht Mannaz)
  15. ᛚ – Lögr: Wasser, See (entspricht Laguz)
  16. ᛦ – Ýr: Eibe, Bogen (entspricht Eihwaz und teilweise Algiz)

Das Jüngere Futhark ist eine spätere Entwicklung des Älteren Futhark und wurde etwa ab dem 8. Jahrhundert in Skandinavien verwendet, insbesondere während der Wikingerzeit. Während das Ältere Futhark 24 Runen umfasst, besteht das Jüngere Futhark nur aus 16 Runen. Diese Reduzierung ging mit einer Vereinfachung und Zusammenlegung von Lauten einher, die den Bedürfnissen der sich wandelnden altnordischen Sprache entsprach.

Es wurde insbesondere für Inschriften verwendet, die oft auf Runensteinen zu finden sind und einen wichtigen Teil des kulturellen Erbes Skandinaviens darstellen. Die Reduzierung der Runen führte zu einer komplexeren Interpretation, da einzelne Runen mehrere Laute repräsentieren konnten, was im Älteren Futhark nicht der Fall war.

Unterschiede zum Älteren Futhark

Reduzierung der Anzahl der Runen: Das auffälligste Merkmal des Jüngeren Futhark ist die Reduzierung von 24 auf 16 Runen. Diese Veränderung spiegelt den Sprachwandel wider, bei dem mehrere Laute, die im Älteren Futhark durch unterschiedliche Runen repräsentiert wurden, im Jüngeren Futhark zusammengelegt wurden.

Lautverschiebung und Zusammenlegung: Die Vereinfachung des Alphabets führte dazu, dass im Jüngeren Futhark eine Rune mehrere Laute repräsentieren konnte. So deckt beispielsweise die Rune ᛅ (Ár) sowohl die Laute „a“ als auch „o“ ab, während ᛋ (Sól) für „s“ und „z“ steht.

Änderung in der Form einiger Runen: Einige Runen des Jüngeren Futhark haben leicht modifizierte Formen im Vergleich zum Älteren Futhark. Diese Änderungen können durch regionale Variationen und die fortschreitende stilistische Vereinfachung der Runen erklärt werden.

Gebrauch und Verbreitung: Das Jüngere Futhark war vor allem in Skandinavien verbreitet und wurde häufig auf Runensteinen verwendet, die in dieser Zeit weit verbreitet waren. Das Ältere Futhark war dagegen in einem breiteren geographischen Raum genutzt worden, der von Nordeuropa bis nach Mitteleuropa reichte.

c. Angelsächsisches Futhorc:

  • Verbreitung: Hauptsächlich in angelsächsischen Gebieten im 5. bis 11. Jahrhundert.
  • Besonderheiten: 33 bis 34 Runen, einschließlich einiger spezifisch für das angelsächsische Englisch.
  • Entstehung: Beeinflusst von anderen germanischen Runensystemen und der lateinischen Schrift.

3. Magische Verwendung:

Runen wurden oft für magische Zwecke verwendet, sowohl für Schutz als auch für Anrufungen. Die Verwendung von Runenstäben und -amuletten war weit verbreitet, um mystische Kräfte herbeizurufen.

4. Runeninschriften:

Runen wurden auf verschiedenen Artefakten und Steinen eingraviert. Diese Inschriften geben uns Einblicke in die Sprache und Kultur der Germanen.

3 berühmte Runeninschriften sind:

Der Kylver-Stein (Schweden, 5. Jahrhundert n. Chr.)

Inschrift:

ᚠᚢᚦᚨᚱᚲᚷᚹᚺᚾᛁᛃᛈᚲᛏᛒᛖᛗᛚᛟᛞᚨᛟᚾᚲᚷᛟᚱᛞ

Beschreibung: Der Kylver-Stein, der in Gotland, Schweden, gefunden wurde, enthält eine der ältesten und vollständigsten Darstellungen des Älteren Futhark. Es handelt sich nicht um eine Inschrift mit einem direkten Text, sondern um eine Auflistung des gesamten Runenalphabets.

Erklärung: Diese Inschrift ist von besonderer Bedeutung, da sie das gesamte Futhark zeigt und vermutlich als eine Art „Runenlehrbuch“ oder zur magischen Sicherung verwendet wurde. Es ist ein seltenes Beispiel dafür, wie das gesamte Runenalphabet in einer Inschrift verwendet wurde, was für Lern- oder rituelle Zwecke gedacht gewesen sein könnte.

Der Einangstein (Norwegen, 4. Jahrhundert n. Chr.)

Inschrift:

ᛖᛃᚨᛏᚨᚷᚨᛃᛟᛏᛟᚺᛉ

Übersetzung: „Ek Hlewagastiz Holtingaz“ (Ich, Hlewagast, Sohn des Holting)

Beschreibung: Diese Inschrift stammt vom Einangstein in Norwegen und ist eine der ältesten Runeninschriften in Skandinavien. Sie wird als Gedenkinschrift für den Verstorbenen Hlewagast interpretiert.

Erklärung: Die Inschrift ist ein typisches Beispiel für eine Runeninschrift, die den Namen des Verstorbenen und seine Abstammung nennt. Es handelt sich um eine sogenannte Namenstropenformel, bei der der Name des Verstorbenen und der Name des Vaters oder der Sippe festgehalten wurde, um die Identität zu bewahren.

Der Nydam-Bogen (Dänemark, 3. Jahrhundert n. Chr.)

Inschrift:

ᛖᛃᛏᛖᚱᛗᚨᛁᚨ᛬ᛒᛟᚷᚢᛃᚨᚱ᛫ᚾᚨᚾᛞᚨᚾᚢᛁ᛬

Übersetzung: „Eigstermāria bógujār bandanomái“ (Eigtirmar machte diesen Bogen für den Nandan)

Beschreibung: Der Nydam-Bogen wurde im Nydam-Moor in Dänemark gefunden. Es handelt sich um eine Inschrift auf einem Bogen, die auf den Hersteller und den Empfänger verweist.

Erklärung: Diese Inschrift ist ein Beispiel für eine handwerkliche Signatur, bei der der Handwerker seinen Namen und den des Empfängers oder Besitzers des Bogens in die Waffe einritzte. Solche Inschriften waren bei wertvollen Gegenständen nicht ungewöhnlich, um den Hersteller zu ehren und die Herkunft des Gegenstandes festzuhalten.

5. Bedeutung der Runen:

Jede Rune hatte eine spezifische Bedeutung und wurde einem bestimmten Laut zugeordnet. Zum Beispiel steht „Fehu“ für Wohlstand und Besitz, während „Ansuz“ mit göttlicher Kraft verbunden ist.

6. Runenmeister:

Es gab spezielle Personen, Runenmeister genannt, die das Wissen um die Runen hüteten und weitergaben. Diese Experten waren sowohl Schreiber als auch Magier.

7. Niedergang und Wiederbelebung:

Mit der Christianisierung der germanischen Völker ging die traditionelle Verwendung der Runen zurück. Die Runen erlebten jedoch im 19. und 20. Jahrhundert eine Art Renaissance, insbesondere im Kontext der esoterischen Bewegungen und der Wiederbelebung der nordischen Kultur.

Fazit:

Die Runen sind ein faszinierendes Element der germanischen Geschichte und Kultur. Ihre Verwendung reicht von alltäglichen Schreibzwecken bis zu rituellen Handlungen. Obwohl ihre traditionelle Verwendung im Laufe der Zeit abnahm, haben sie einen festen Platz in der Geschichte der Germanen und beeinflussen auch heute noch moderne Interpretationen und Praktiken.